Wie fühlt es sich für dich an, wenn du die Unendlichkeit schauen kannst?
Am Samstagabend habe ich es ausprobiert. Mit Hängematte und Schlafsack bin ich ins Gebirge gezogen und habe mir auf dem Pfaffenstein ein schönes einsames Plätzchen mit Blick zu Himmel gesucht.
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Wer die Stille sucht...
Ganz so einsam, wie erhofft wurde es dann doch nicht. Etwa 400 Meter von mir entfernt hatte sich ein Pärchen für die Nacht eingerichtet. Ihre Stimme konnte weit tragen.
Unter dem Pfaffenstein wurde bis in die Nacht hinein ein Feld abgeerntet und auf dem Sportplatz von Pfaffendorf in Sichtentfernung bemühte sich eine Diskothek lautstark um ihre tanzenden Jünger, was sich bis 4 Uhr hinzog.
An Schlaf war somit nicht zu denken, doch das hat mich nicht wirklich gestört.
Trotz der aufgezählten Widrigkeiten war dieser Abend, die Nacht und der Morgen danach etwas Besonderes. Ich konnte die Unendlichkeit berühren, erahnen.
Die ersten Stunden saß ich in der untergehenden Sonne. Ich hatte mir ein Buch mitgenommen, wollte lesen, konnte mich nicht darauf konzentrieren.
Diese Stunden habe ich mehr meinen Blick schweifen lassen und die Natur in mich aufgesogen. Das kräftige Sommergrün der Bäume, die schon abgeernteten Kornfelder, die uralten Felsen des Pfaffensteins, die wenigen sichtbaren Straßen und Siedlungen.
Auf die Fläche gesehen, haben wir nicht so viel der Natur okkupiert, jedoch haben wir an besonders wichtigen Stellen in die Natürlichkeit eingegriffen.
Erstaunt war ich, dass ich nicht so viele Waldgeräusche wahrnehmen konnte und da lag nicht nur am Mähdrescher.
Unendlichkeit schauen
Sehr gespannt war ich auf die Sterne, die ich ja sehen musste, weil eine klare Nacht angekündigt war. Ehrlich, mir war nicht bewusst, wie lange der Übergang vom Tag, über den Sonnenuntergang, bis zur Sichtbarkeit der Sterne am Firmament dauert.
Vom „Verschwinden“ der Sonne bis zur vollen Entfaltung der Sternbilder brauchte es ungefähr ganze 2 Stunden oder sogar etwas mehr.
Und dann waren sie auf einmal da, einer nach dem anderen wurde sichtbar. Der Erste war der Abend-„Stern“, die Venus, so recht knapp über dem Horizont. Irgendwann konnte ich die ganze Pracht sehen. Sternschnuppen haben es abgerundet.
Kennst du auch dieses Gefühl – klein zu sein im Anblick der Unendlichkeit? Mich hat es mit Demut erfüllt. Mir wurde noch einmal bewusst, welch winziger Bestandteil ein einzelner Mensch im ganzen Gefüge ist.
Verantwortung - Wofür
Doch im gleichen Augenblick wurde ich der Macht und der Verantwortung jedes einzelnen Menschen gewahr, die wir dann haben, wenn wir bereit sind, dies anzuerkennen.
Dabei liegt im Anerkennen nicht nur das sogenannte „Wissen“, welches uns scheinbar über andere Teile der Natur erhebt. Anerkennen dürfen wir vor allem, was wir in der Lage sind, aus uns selbst heraus zu kreieren.
Die Verantwortung liegt darin, anzuerkennen, dass wir Menschen, jeder Einzelne von uns und auch die Gemeinschaft, jedes Detail unserer Welt selbst erschaffen. Wir erschaffen mit Gedanken, mit Worten und manchmal mit Taten. Dabei ist es vollkommen egal, ob wir es bewusst oder unter- (un-) bewusst tun.
So wie die Diskothek sich mit ihrer Lautstärke Mühe gab, die Tänzer vergessen zu lassen, so kann dich die Stille der Natur aufwecken, zu dem, der du in Wirklichkeit bist.
Super Kraft
Mir wurde wieder einmal glasklar, dass unsere „Super-Kraft“ in einer engen Verbindung zur Natur, zur wahren Natur des Menschen liegt und nicht in der Erschaffung technischer Wunderwerke. Diese sind nur Beiwerk für uns.
Genau 04:47 Uhr bin ich aufgestanden, habe alles eingepackt und bin 200 Meter durch den Wald auf die andere Seite des Pfaffenstein gelaufen, um das nächste Schauspiel – den Sonnenaufgang zu sehen. Ganze 200 Meter zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang – krass oder?
Auch dieses war ein Schauspiel der Extraklasse. Wann hast du deinen letzten Sonnenaufgang gesehen?
Sehr, sehr dankbar und voller Freude bin ich nach Hause gefahren.
Herzlichst
dein Thomas